Frühlingsfahrt des Heimatschutzvereins Meran 2016
Am 21. Mai 2016, einem frühsommerlich warmem Frühlingstag, fand die Frühlingsfahrt des Heimatschutzvereins Meran statt. Diese führte uns ins grüne Wipptal, wo wir über den ganzen Tag verstreut die Burgen Reifenstein und Wolfsthurn (Landesmuseum für Jagd und Fischerei) besuchten sowie die Beschreitung der Gilfenklamm wagten.
Für die Hinfahrt wählten wir den uralten Übergang zwischen dem Burggrafenamt und dem Wipptal, den über 2000 Meter hohen Jaufen. Über den seit Urzeiten begangenen Saumweg, führt seit 1912 eine gut ausgebaute Passstraße, die wir bequem mit dem 30er Sitzer von Tisner Reisen mit 17 Heimatschützer/innen an Bord befuhren. Die Straße über den Jaufen (alpenromanisch juvu „Joch“) wurde an Stelle eines alten Fuhrwegs erbaut, wo noch im 17. Jahrhundert neben den Kraxentragern ca. 20 Samer mit bis zu 300 Pferden unterwegs waren. Von Süden kommend wurden Wein, Trauben, Feigen, Mandeln, Safran, Öl, Zucker, Lorbeer und Seidentücher in den Norden gebracht, im Gegenzug gelangte von Norden Salz, Getreide, Flachs, Hülsenfrüchte, Leinen, Leder, Pelze, Geschirr und Glas ins Burggrafenamt. Auf dem Scheitelpunkt wurden wir mit einer grandiosen Aussicht auf schneebedeckte Bergketten belohnt, alsbald flogen auch Schneebälle durch die Luft.
Nach der Abfahrt auf der Nordrampe eine kurze Kaffeepause beim Fischadlerwirt vor den Toren Sterzings um dann direkt zur Burg Reifenstein zu gelangen. Nach kurzem Anstieg begrüßte uns die Museumsführerin Frau Steiner, die dankenswerterweise ihren freien Tag opferte um uns durch die Burg, die sich in Privatbesitz eines Zweigs der Familie Thurn und Taxis befindet, zu führen. Reifenstein (1100 Riffinstain in Bibidina = Wipptal< römische Straßenstation Vipitenum) besteht aus einem in Reinkultur erhaltenen mittelalterlichen Burganlage mit Bergfried und einem wohnlicheren Trakt, den sich der Deutschorden 1511 errichten ließ. Beeindruckend die Lebensverhältnisse in der alten Burg: die uralte geschwärzte Küche gleicht einer Zeitkapsel, ebenso die Schlafbehältnisse der Wehrmannschaft, die zu 50 in zwei Holzkisten aneinander kauernd im Sitzen schlief. Der Rittersaal ist ein grob ummauerter Raum mit Lebensbaum im Zentrum, der Gerichtssaal und das unterirdische dunkle Verließ von acht Metern Tiefe und eine Falltür, durch die die Verurteilten hinabgestürzt wurden. Ganz nebenbei flocht die Führung bekannte Redensarten aus dem Mittelalter ein: gesalzene Preise (mit Hinweisen auf die Salzkiste), einen Zahn zulegen (der Kochtopf hing über dem offenen Feuer an einer Kette mit Zähnen; wurde das Feuer schwächer, musste man den Topf um einen Zahn herabsenken), türmen (der letzte Ausweg des Flüchtenden war der Turm des Bergfrieds) usw. Fotos von der Burg gibt es ob der strengen Bestimmungen leider keine.
Ein Höhepunkt war sicherlich der berühmte Grüne Saal,dessen Wände und Balkendecke aus spätgotischer Zeit mit Figuralmalerei geziert ist. Einer der beiden Erker ist mit einem prachtvoll geschnitzten gotischem Holzgitter als Familienkapelle abgeschlossen.
Wieder im Freien, schlenderten wir auf schmalem Pfad durch die das Trockenbiotop des Felshügels (Schalensteine!) zur nahen Kapelle St. Zeno, wo wir uns für ein Gruppenfoto aufstellten.
Durch das Sterzinger Moos, aus dem sehnsuchtsvoll eine versunkene Jungfrau uns Männern im Bus zuwinkte, ging’s nach Mareit, dem Ridnauner Hauptort und der größten Siedlung der Drei-Täler-Gemeinde Ratschings.
Das verdiente Mittagessen nahmen wir in der Pizzeria Pankratius am Fuße von Schloss Wolfsthurn ein, wo die Sonnenschirme Schatten spendeten und das Bier mundete. Nach Pizzagenuss und Nudelteller erklommen wir die Anhöhe von Wolfsthurn, wo bereits eine sympathische Führung auf uns wartete. Nicht größer könnte der Gegensatz zum düsteren Reifenstein sein: eine heitere Schlossanlage in Pastelltönen, ein Lustschloss mit barockem Garten, in dem die nördlichste Edelkastanie Südtirols gedeiht. 365 Fenster – eines für jeden Tag – bieten Ausblicke über das Tal. Die Räume sind mit farbigem Tapetenschmuck ausgestattet und mit Wandteppichen behangen. Eine gewölbte Kapelle von 1738 ist mit Fresken und Stukkaturen ausgestattet. Das Schloss ist in Privatbesitz der Barone Sternbach und beherbergt das Landesmuseum für Jagd und Fischerei, dessen Besichtigung einen gesonderten und ausführlichen Besuch verdiente.
Da wir zeitlich großzügig geplant haben, bot sich ein Spaziergang rund um das Schloss an. Durch eine prachtvolle Allee aus Rosskastanien und Bergahornen gelangten wir zu einem Fischweiher, durch einen Wald am Mareider Bach samt Wolfsgrube ging’s zurück zu unserem Fahrer Andreas von den Tisner Reisen.
Das Wandern hat uns aufgewärmt für die Beschreitung der majestätischen Gilfenklamm. Schwer in Worte zu fassen sind die Einblicke in die Strudel und Schlünde der Klamm, in die sich der Ratschinger Bach in Jahrtausende währender Arbeit hineingefressen hat. Kunstvolle Holzstege, Brücken und Aussichtsplattformen lassen die Kräfte des Wassers am tief eingeschnittenen reinweißen Marmor erahnen, der durch die Verwitterung dunkelgrün schimmert. Ein grandioses Naturschauspiel, das in den Jahren 1893 bis 1896 in fleißiger Arbeit erschlossen wurde. In der kaiserlichen Begeisterung ist die Klamm 1898 kurzfristig in Franz-Josefs-Klamm umbenannt worden. 1961 wurden die verfallenen Wege vom Verschönerungsverein Ratschings schrittweise wieder in Stand gesetzt. Der Name Gilf ist uns Meranerinnen und Meranern wohlbekannt, er leitet sich von vorrömisch golfu- „Einbuchtung, Wölbung; Busen“ab und ist mit „Golf“ (Meerbusen) verwandt.
Nach der rund einstündigen Wanderung bergab (von Jaufensteg nach Stange) erreichen wir Stange, wo wir nach kurzer Suche den Bus samt Fahrer erspähemn. Nun war ein rechter Appetit aufgekommen. Wir machten uns nach Sterzing auf, wo wir von Norden kommend zuerst durch die Altstadt schlenderten und dann, südlich des Zwölferturms, durch die großzügige Sterzinger Neustadt der Restauration Zur Lilie zustrebten. Der Abend war lau und ermattet ließen wir uns bei Prosecco und Weißwein einige Häppchen auf der Straße auftischen, bevor wir uns an die gedeckte Tafel im ersten Stock niederließen. Dort wurde uns á la carte aufgetischt. Bei anregenden Gesprächen ließen wir den Tag Revue passieren. Es wurde uns im Laufe dieses Tags klar, welche Schätze das südliche Wipptal beherbergt und viele von uns, darunter Weitgereiste, gestanden sich ein, die drei Sehenswürdigkeiten zum ersten Mal besucht zu haben. Somit hat sich der Ausflug gelohnt und unser Fahrer chauffierte die Heimatschützer trotz eines gewissen Zeitdrucks die wohlbehalten ins heimatliche Meran.